2001
Max-Herrmann-Preis 2001 an Paul Raabe
Professor Raabe, Jahrgang 1927, war nach der Ausbildung zum Diplom-Bibliothekar an der Landesbibliothek Oldenburg und dem Studium der Germanistik und Geschichte in Hamburg in den Jahren 1958 bis 1968 Leiter der Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs Marbach, bevor er im Jahre 1968 die Leitung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel übernahm. Hier begann er die Bibliothek, die im 17. Jahrhundert als die größte in Europa galt, zu einer modernen, international anerkannten Studien- und Forschungsstätte für das Mittelalter und die frühe Neuzeit auszubauen und zu öffnen. So wurden unter anderem ein Stipendien- und Forschungsprogramm, eine Publikationsabteilung und ein Schülerprogramm eingerichtet. Nach und nach wurden weitere Gebäude in die Bibliothek mit einbezogen, so dass ein regelrechtes Bibliotheksquartier entstand. Indem er neue Akzente für diese Bibliothek setzte, brachte er sie als hervorragende Kulturstätte ins Bewußtsein der Öffentlichkeit und machte sie zu “einem Mekka der Humanismus- und Barockforschung”.
Aber Paul Raabe, den die FAZ als “dreifaches Talent: als Bibliothekar, Wissenschaftler und Kulturmanager” bezeichnet hat, beschränkte seine Aktivitäten nicht auf den reinen Bibliotheksbereich allein: er engagierte sich in einer Notgemeinschaft zur Rettung der Wolfenbütteler Altstadt, widmete sich in den siebziger und achtziger Jahren der Entwicklung des Wolfenbütteler Bibliotheksquartiers in den Häusern des Schloßplatzes und dann ganz besonders nach seiner Pensionierung 1992 dem Erhalt des gefährdeten Ensembles der Franckeschen Stiftungen in Halle.
Seinem Wirken als “durchtriebenem Manager des schönen Geistigen” ist es zu verdanken, dass aus der völlig maroden Stiftung ein “kultureller Leuchtturm in Mitteldeutschland” geworden ist. Man hat Raabe eben nicht nur als “Patriarchen der Bücher” kennengelernt, sondern auch als “genialen und gefürchteten Förderungsmitteljongleur”, dessen “sinnvollem Treiben” die Ministerialbürokraten “ebenfalls hilflos ausgeliefert waren”. (Zitate aus der Rede des Kulturministers Gerd Harms im September 2000 beim Ausscheiden Professor Raabes aus dem Amt des Direktors der Franckeschen Stiftungen).